Investitionen
memento mori

Über den Tod lesen, sprechen, schreiben
Ausgehend von lateinischen philosophischen Texten mit dem Thema "Der Mensch und seine Lebensbewältigung« stellte sich bei der Interpretation sehr bald für jeden Einzelnen die Frage nach dem Sinn des Lebens, des Leidens und des Todes.
Um sich genauer über die Problematik des Todes und des Sterbens zu informieren, wurde von beiden Lateinklassen (8.A und 8 CD) der Entschluss gefasst, gemeinsam Gäste einzuladen, die mit dieser Thematik in besonderer Weise befasst sind: einen Arzt, einen Priester, einen Krankenhausseelsorger, eine Mitarbeiterin der Hospizbewegung. Dazu kamen die Lehrer für Religion und Philosophie- und Psychologie.
In Vorbereitung auf die geplante Veranstaltung suchten die Schüler in Büchern, Zeitschriften, Broschüren und im Internet nach Texten, die sich mit Tod und Sterben auseinandersetzen. Im Rahmen dieser Recherchen wurden wir auch auf den Wettbewerb der Hospizbewegung aufmerksam und entschlossen uns, unser Projekt in Form einer gemeinsamen Projektarbeit einzureichen. Zuerst entstand neben der Sammlung der im Unterricht behandelten lateinischen Texte vorerst ein recht umfangreiches Konvolut an Material (literarische Texte, Informationen), das den ersten Teil der Projektarbeit darstellt.
Am Mittwoch, dem 13.12.2000, konnten wir in unserer Schule – als zweiten Teil des Projekts – unsere Gäste begrüßen: Herrn Stadtpfarrer Willibald Pichler, unseren Schularzt MR Dr. Walter Weber, den Krankenhausseelsorger Engelbert Pöcksteiner, die Mitarbeiterin der Hospizbewegung, Frau Eveline Dreher, Herrn Mag. Dr. Manfred Wimmer (PE) und Herrn Mag. Josef Redl (R) begrüßen. In einer drei Stunden dauernden Podiumsdiskussion legten die Fachleute zuerst ihre Positionen in einleitenden Statements dar (Der Tod und der antike Mensch, Der Tod in Psychologie und Philosophie, Der Tod aus medizinischer Sicht, Der Tod aus theologischer Sicht, Die Vorstellung des Hospizgedankens, Die Betreuung Sterbender und deren Angehöriger, Der Tod in der Institution Krankenhaus). Im Anschluss daran entwickelte sich eine äußerst rege Diskussion über Sterbebegleitung, (Historisches, Ausbildung, Helfer, Finanzierung), Glaubensfragen (Gibt es ein Weiterleben oder ist mit dem Tod alles aus? Was bleibt von mir?), medizinische Problematiken (aktive und passive Sterbehilfe, Behandlung von Schwerstkranken, Koma-Patienten, Organspende). Ebenso angesprochen wurden auch andere Themen (Selbstmord, Erkenntnisse der Sterbeforschung, etc.).
Das Resumee der Debatte war: Es gibt vielleicht ein Leben nach dem Tod, aber sicher gibt es ein Leben vor dem Tod, das zu gestalten und bis zuletzt für sich selbst und andere mit Sinn zu erfüllen im Verantwortungsbereich eines jeden einzelnen Menschen liegt.
Der tägliche Gruß des Trappistenordens »memento mori" verlieh unserer Projektarbeit den Titel, sollte aber auch deutlich machen, dass die Zeitlichkeit unseres Daseins nicht Grund zur Verzweiflung, sondern vielmehr Aufforderung zu bewußtem Leben sein soll.
Nach der Podiumsdiskussion wurden die Schüler aufgefordert, eigene Texte zum Thema »Tod« zu verfassen. Das Ergebnis dieser Nachdenkphase – eine sehr berührende Textsammlung – bildet den dritten und letzten Teil der Projektarbeit.
Kurz vor Weihnachten schickten wir diese, immerhin auf über 80 Seiten angewachsene Mappe ab. Sehr groß war unsere Freude, als wir zur Preisverleihung in die Landeshauptstadt eingeladen wurden. Am 5. März fuhren wir (36 Schüler + Klassenvorstand) mit zwei Gästen unserer Diskussionsveranstaltung, Frau Dreher und Herrn Pfarrer Pichler, nach St. Pölten. Nach einer Führung durch das Landhausviertel präsentierten 6 Schulklassen, die letzten der insgesamt 19 Teilnehmer des Wettbewerbes, im Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landtages ihre Projekte. Nach einer vielbeachteten Lesung einiger unserer Texte durch Lisa Farthofer, Sandra Reitbrecht, Gerold Vogler und Eva Wieczorek (alle 8.A) konnten wir bei der Festveranstaltung, zu der auch der Herr Direktor angereist war, im Beisein der Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop, hochrangiger Beamter der NÖ Landesregierung und Mitarbeiter der Hospiz-Bewegung den 2. Preis (5000.-S) in Empfang nehmen.
Abschließend ist noch zu bemerken, dass alle Beteiligten mit großem Engagement am Projekt mitgewirkt haben.
Projektpräsentation
Alle: MEMENTO MORI
Eva: Über den Tod
Gerold: lesen
Sandra: sprechen
Lisa: schreiben
Eva: HORAZ; 1. Odenbuch, Carmen 11
Gerold und Sandra:
Gerold: Tu ne quaesieris – scire nefas, quem mihi, quem tibi finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios temptaris numeros.
Sandra: Forsche nicht, Leukonoe, – Frevel ist es ja –wann mir die Götter das Ziel setzten, wann dir! Lass astrologische Rechenkünste!
Gerold: ut melius, quidquid erit pati seu pluris hiemes seu tribuit Iuppiter ultimam quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare Thyrrhenum.
Sandra : Wie viel besser, man trägt, wie es auch fällt, sein Los. Ob der Winter noch mehr Juppiter schenkt, ob es der letzte ist, der das tuskische Meer dort an des Strands hemmendem Felsen müdepeitscht.
Gerold: Sapias: vina liques et spatio brevi spem longam reseces. Dum loquimur, fugerit invida aetas : carpe diem quam minimum credula postero.
Sandra: Zeige dich klug: kläre den Wein, stelle die Hoffnung nur auf das Heute noch ein! Neidisch entflieht, während du sprichst, die Zeit. Schenk dem kommenden Tag niemals Vertraun, genieße den Augenblick!
Alle: UNSERE GEDANKEN
Eva: Durch wie viele Ausgänge sind wir schon gegangen? Durch wie viele werden wir noch gehen? Hauptausgänge. Nebenausgänge. Notausgänge. Irgendwann werden wir durch einen letzten Ausgang gehen.
Lisa: Natürlich habe auch ich Angst vor dem Tod. Ich bin noch sehr jung und habe einen großen Teil meines Lebens noch vor mir. Andererseits hat der Tod etwas Mystisches, Geheimnisvolles. Was passiert mit mir, wenn ich sterbe? Was bleibt von mir?
Sandra: Tod – Was ist das? Ein Ereignis, das Familien zerstört. Ein Ereignis, das Schmerz verursacht. Ein Ereignis, von dem viele Menschen nichts wissen wollen, weil es unumgänglich ist.
Gerold: Bis jetzt habe ich den Tod immer als etwas Plötzliches, Unerwartetes erfahren. Ich habe es als schrecklich empfunden, nie Abschied nehmen zu können. Es blieb jedes Mal ein riesiges Loch zurück, das ich nicht füllen konnte. Ich war wütend, enttäuscht und traurig, wenn ich erfahren habe, dass ein Mensch, den ich gern hatte, gestorben ist.
Lisa: Einen geliebten Menschen zu verlieren, ist das Schlimmste was ich mir vorstellen kann. Doch man muss einfach lernen das Sterben, die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit des Menschen zu akzeptieren, so schwer es einem auch fällt.
Eva: Trotz der Gewissheit, dass das eigene Leben einmal ein Ende hat, sind wir manchmal unfähig, uns mit vermehrter Kraft ins Leben zu stürzen, es wirklich zu leben und zu genießen. Diesen Widerspruch tief im Herzen zu erkennen und ihn aufzulösen, das scheint mir die größte Herausforderung des Lebens zu sein.
Sandra: Für mich persönlich gehört der Tod zum Leben. Was wäre, wenn wir unsterblich wären? Würden wir einen Tag, eine Stunde überhaupt noch schätzen? Ich denke, das Leben bekommt seinen Wert erst durch die Begrenztheit. Ob es nun ein Leben nach dem Tode gibt, ist ungewiss, aber ganz bestimmt gibt es ein Leben vor dem Tod.
Lisa: Sterben: Du stirbst, er ist gestorben, sie stirbt, ihr seid gestorben, sie sterben. Ich werde sterben.
Eva: Wann?
Lisa: Keine Ahnung.
Eva: Morgen?
Lisa: Vielleicht, vielleicht auch später, vielleicht bald, sicher irgendwann.
Eva: Irgendwann kann auch morgen sein.
Lisa: Morgen bin ich noch nicht bereit, auch übermorgen nicht. Heute schon gar nicht.
Eva: Man soll zu jeder Zeit bereit sein – sagt man.
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