Unterwegs
Persönliche Begegnung mit Christoph Hein

Die Schüler* der 7. und 8. Klassen des Gymnasiums durften am Freitag, dem 16. Oktober 2015, als Gäste der NMS Heidenreichstein einer kurzen Lesung der Texte des bedeutenden deutschen Schriftstellers Christoph Hein beiwohnen, der im heurigen Jahr Stargast des Festivals »Literatur im Nebel« war. Im Anschluss an den Vortrag der Texte des Autors durch den Schauspieler Thomas Thieme und Christoph Hein selbst konnten die Gymnasiasten, die allesamt im Deutsch-Unterricht mit dem Roman »Der fremde Freund/Drachenblut« vertraut gemacht wurden, Fragen an den Schriftsteller richten. Im Verlauf der Lesung und des Gesprächs mit den beiden aus der ehemaligen DDR stammenden Künstlern, die unter den Repressalien des kommunistischen Regimes bzw. unter dem kleinbürgerlichen Mief, der zum beträchtlichen Teil die ostdeutsche Nachkriegsgesellschaft prägte, zu leiden hatten, kritisierten die beiden Vortragenden vornehmlich die aktuellen Entwicklungen der Ausländerfeindlichkeit, die als Abscheu vor der Armut entlarvt wird, und die Auswirkungen des Kapitalismus. Die Schüler waren von der Freundlichkeit und Agilität Christoph Heins beeindruckt.
Auch die Abendveranstaltung in der Heidenreichsteiner Margithalle durften etliche Gymnasiasten besuchen. In diesem Zusammenhang ist den Organisatoren des Festivals rund um Dr. Rudolf Scholten sowie der Heidenreichsteiner Kulturstadträtin Barbara Körner zu danken, dass die Schüler des Waidhofner Gymnasiums seit vielen Jahren bei der Austragung des Literaturfestivals berücksichtigt und mit besonderer Fürsorglichkeit aller Beteiligten an die Hochkultur herangeführt werden.
Während der erste Abend durch Pointenreichtum der Texte und Vortragenden gekennzeichnet war, wobei die Zuhörer etwa von einem unerwartet unterhaltsamen Feuerwerk satirischer Statements des Sohnes Jakob Hein überrascht wurden und das Interview des Stargastes durch den Soziologen Hartmut Rosa wie ein intellektuelles Pingpong-Spiel der Worte in aberwitziger Geschwindigkeit das überwiegend österreichische Publikum zu besonderer Aufmerksamkeit forderte, evozierte die zweite Abendveranstaltung – neben den ironisch-satirischen Aspekten – zum Teil Nachdenklichkeit. Bettina Hering, der mit besonderer Einfühlsamkeit und Fachkenntnis ausgestatteten Intendantin des Landestheaters Niederösterreich, gelang es, mit dem Autor ein Gespräch zu führen, in dem dieser konkrete, tiefe Einblicke in seine schriftstellerische Tätigkeit und Entwicklung gewährte und bereitwillig auch über Probleme Auskunft gab, die der Berliner Stadtsenat Christoph Hein bereitete, als dieser die Leitung des Deutschen Theaters übernehmen sollte. Die geschilderten Restriktionen durch eine Front politischer Ablehnung mögen der designierten Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele erspart bleiben, man wünscht ihr aber Autoren wie Christoph Hein fürs Theater, der seine Stücke auf der Basis seiner als Dramaturg gesammelten Erfahrungen konzipiert und den Text für die Realisierung auf der Bühne los- und dem Ensemble zur Gestaltung überlassen kann. Und dem sympathischen Autor wünscht man als Leser und Mensch, der dem wohl letzten deutschsprachigen Dichter Schlesiens in einer Reihe seit Angelus Silesius begegnen durfte, viele weitere Jahre der Lebens- und Schaffenskraft, auch um sich an seinen Texten erfreuen und mit seiner Zeitkritik auseinandersetzen zu können.
Zu guter Letzt sei den vielen namhaften Schauspielern, unter anderem Ursula Strauß, Erni Mangold oder Jürgen Maurer mit seiner ausgezeichneten Sprechkultur, gedankt, die den Weg ins wahrhaft im Nebel versunkene Waldviertel, das von Abwanderung und Schließung jeglicher Art gekennzeichnet ist, nicht gescheut haben, ganz besonders gilt ein staunender Dank der Doyenne des Burgtheaters, Elisabeth Orth, die mit bewundernswerter Treue alljährlich das Literaturfestival um einprägsame Hörerlebnisse bereichert. Ein Glück für uns im Waldviertel, dass es »Literatur im Nebel« gibt!
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*Da ich mich seit jeher als Mädchen oder Frau niemals ausgeschlossen gefühlt habe, wenn ein Mensch in grammatikalisch männlicher Form bezeichnet wurde, verzichte ich aufs Gendern jedweder Art. Wir haben im Kampf um Gleichberechtigung ganz andere Mechanismen zu überwinden, als irgendeine Form von »innen« in Texte zu implementieren. –I.S.
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