Unterwegs

Schulbier statt Schulmilch…?

Mag. Thomas Wimmer – 18.5.2015 – 32 Fotos – 595 Aufrufe

 

»…Nicht weiß Enkidu Brot zu essen, Bier zu trinken ward ihm nicht gelehrt. Šamhat tat den Mund auf und sprach zu Enkidu: ›Iss das Brot, Enkidu, es gehört zum Leben! Trink das Bier, wie es Brauch ist im Lande!‹ Brot aß Enkidu bis er gesättigt war, er trank das Bier – der Krüge sieben. Frei ward sein Inneres und heiter, es frohlockte sein Herz und sein Antlitz erstrahlte…«

Wo das steht? Gilgamesch Epos, 2.Tontafel, Verse 20-26 (Übersetzung Dr.Albert Schott). Entstanden irgendwann zwischen 2000 und 1500 v.Chr., in mehreren Fassungen überliefert, am vollständigsten auf 11 Tontafeln aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal in Ninive. Enkidu, ein von den Göttern zunächst als wildes, behaartes, jedoch menschenähnliches Wesen erschaffen, lebt in der Steppe bei Uruk mit den Tieren der Wildnis zusammen, ernährt sich von deren Gras und ist der Sprache der Tiere kundig. Er versteht es damit, sie vor den Fallen des großen Jägers zu schützen, was dessen Ingrimm erregt. Erbost beschwert sich der Fallensteller bei Gilgamesch, worauf dieser die Dirne (eigentlich: Tempeldienerin) Šamhat zu Enkidu sendet. Sieben Tage und Nächte lang erliegt er ihren Verführungskünsten und wird endlich zu den Hirten geführt, um ihn dort in die landesüblichen Ernährungsgewohnheiten einzuführen (siehe Zitat oben). In der Folge verliert Enkidu seine Behaarung – aber auch damit die Fähigkeit, die Sprache der Tiere zu verstehen – womit er endgültig in die menschliche Zivilisation eintritt: »…Der wahre Mensch, der eine Mann.« (Vers 35) Die entsprechende Textstelle des Gilgamesch Epos kann als Sinnbild der Menschwerdung überhaupt verstanden werden: das Zurücklassen der tierischen Vergangenheit sowie das Erlernen der grundlegendsten Kulturtechniken, namentlich Ackerbau (die Voraussetzung für Brot und Bier) und Tierhaltung (Enkidu beschützt in der Folge die Herden der Hirten vor den Löwen). Freilich ähnelt das eingeweichte und vergorene Brot der Sumerer in keinster Weise dem, was wir heute unter Bier verstehen (viel eher dürfte es sich, nach heutigem Empfinden, um einen schalen, säuerlichen Trunk gehandelt haben), dennoch zeigt die Erzählung aber auch, dass Gärungstechnik mindestens so alt wie Sesshaftigkeit selbst und aufs engste mit menschlicher Kultur verbunden ist.

Ein Steinchen fügte sich ans andere: Gärungstechnik als uralte Kultur, Mikrobiologie, praktischer Unter­richt… und also sandte uns das Schicksal (oder war es Gilgamesch?) Xandl, den Gralshüter innovativer Brauereitechnik in Vitis. Alexander Pichler (so sein amtlicher Name) gebar die Idee, doch Schüler an den Segnungen der Braukunst teilhaben zu lassen und ihnen einen Einblick in seine Tätigkeit und in die Prinzipien des Handwerks zu gewähren. So machten sich denn 11 Schülerinnen des Wahl­pflicht­faches Biologie/Umweltkunde auf den Weg nach Vitis, zu lernen in Wort und Tat eine der ältesten menschlichen Kulturtechniken. So nebenher erhielten sie überdies ein hervorragendes Lehrstück darüber, wie man ein erfolgreiches start-up Unternehmen gründet – vorausgesetzt man kann was:
Alexander-Xandl-Pichler, gelernter Kältetechniker und Anlagenbauer, ermutigt durch erfolgreiches und langjähriges Bierbrauen im privaten Bereich, beschloss diese seine Leidenschaft auf professionelle Beine zu stellen. Mit für ihn nicht zu bewältigenden Kosten fertiger Brauanlagen konfrontiert, beschloss er, sämtliche nötigen Gerätschaften selbst zu fertigen: Jeder Sudkessel, jedes Rührwerk, jede Rohrleitung – selbst gebaut! Die Abfüllanlage – selbst gebaut, die gesamte Steuerung – selbst gebaut. Und als wäre das noch nicht genug: all das steht in einem Gebäude, welches er – wie wäre es anders zu erwarten – selbst restauriert und adaptiert hatte.

Die Idee ward geboren, eine spezielle 50l-Biercharge nur für Schüler zu brauen, welche, der Verheißung gemäß, tatsächlich am 14. April a.D. 2015 nach Vitis pilgerten um der Idee Taten folgen zu lassen. Was sie dort lernten, war kurz gefasst folgendes:
Zuerst müssen verschiedene Malzsorten (= gekeimtes und geröstetes Korn; die Keimung leitet die Umwandlung von Stärke in verschiedene Zuckerarten ein, die Röstung sorgt für geschmackliche Komponenten) geschrotet und anschließend im Braufass mit Wasser versetzt werden. Das Gemisch (Maische) wird nun in mehreren Stufen auf etwa 70° erhitzt, was die endgültige Verzuckerung der im Korn enthaltenen Stärke ermöglicht und diese, zusammen mit verschiedensten Aromastoffen, in die Flüssigkeit übertreten lässt. Die fertige Maische wird nun vom ausgelaugten Schrot getrennt (Läuterung), auf Kochtemperatur gebracht und schließlich mit der dritten Zutat versetzt: dem Hopfen. Die Fruchtstände dieser Schlingpflanzen verleihen dem Bier den herben Geschmack, je nach verwendeter Hopfensorte diverse zusätzliche Aromen und sorgen darüber hinaus für eine längere Haltbarkeit. Die fertig abgekochte Würze wird nun auf Raumtemperatur gekühlt, ihr Zuckergehalt (= Stammwürze) gemessen, gegebenenfalls, um einem zu hohen Alkoholgehalt des fertigen Bieres entgegenzuwirken, mit Wasser verdünnt, in ein Gärgefäß umgefüllt und anschließend mit Brauereihefe (einzellige Pilze) versetzt. Nach ca. sechs Wochen Gärtätigkeit, in denen die Hefezellen den vorhandenen Zucker nahezu restlos in Alkohol umwandeln, lagert sich die Hefe, je nach verwendetem Hefestamm, entweder unten ab (= untergärige Hefe, z.B. bei Lager- und Märzenbier) oder schwimmt an der Oberfläche (= obergärige Hefe, z.B. Weizenbiere). In jedem Fall wird das Bier nach dem Abziehen zumeist gefiltert und in Flaschen gefüllt – fertig. Ach ja, das Etikett! Das ist eine Wissenschaft für sich: Da wir in einer offiziellen Brauerei eine offizielle Braucharge hergestellt hatten, musste natürlich auch das Etikett sämtlichen Vorschriften genügen. Das bedeutet, neben einem ansprechenden Design (man trinkt ja auch mit den Augen…) sollten alle vorgeschriebenen Angaben angeführt, amtlich verordnete Schriftgrößen eingehalten werden,…

Aber jetzt ist es fertig: das erste Waid­ho­fener Schulbier!

Vielen Dank an dieser Stelle nochmals an Xandl Pichler, der uns sein Wissen, seine Gerätschaften und seine Zeit zur Verfügung gestellt hatte!

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